Doartmund – dat kuckt sich schön (abba sowat von schön)

Als ich im Mai aus Mainz nach Dortmund kam (ja, für immer), brachte ich BVB-trainerbezogen keine Vorurteile mit. Fußballtechnisch also große Sympathien. Wettertechnisch sieht das allerdings anders aus. Während mich also die Gartenstadt mit schöner Vorkriegsarchitektur, aber permanent vom Himmel fallendem Gewässer begrüßte, versuchte ich mit unter dem tropfnassen Baumbestand unter zu stellen und maulte rum. Ich maulte immer noch rum, als ich merkte, dass die B1 eine für Laufräder kaum überwindbare Schneise durch die Stadt schlägt/fräst/kratzt. Wo bin ich hier nur hingeraten? Nordstadt-Entwicklungsland, nahtplatzende Flüchtlingsheime, täglicher Verkehrsinfarkt, betongrauer Himmel. Jouw! Hänge meinem goldenen, römischen Mainz nach.

Als ich dann aber tatsächlich – es muss an einem sonnigen Tag gewesen sein! – mal genau hinschaute, krabbelte ein Fünkchen Überraschung durchs matschnasse Herbstlaub. Zwischen Konzerthaus und Dortmunder U spannt sich ein Kulturbogen, der mich überrascht blinzeln macht. Oooops, ist ja richtig gut hier! Erstklassige Ensembles im Theater, niveauvolle Gespräche in der Nachbarschaft, gut gelaunte, äußerst freundliche Backwarenfachangestellte, gepflegte Innenstadtspringbrunnen, Riesenprogramm an Kinderturnangeboten und gelebter Fußballpatriotismus (ich lernte, besser keine Anrufe bei der Architektin Samstagsnachmittags vorzunehmen und ein paar Tage lang gar keine, wenn „wir“ verloren haben!). Und das ist ja, mache ich mir klar, erst der Anfang meiner Dortmund-Erkundungstour.

Was mich aber am meisten überrascht, ist der Ton. Der Ton, der hier im Ruhrgebiet so herrlich schnodderig-direkt und mit ungestümer Konfrontationsrhetorik daher kommt, war mir dann doch irgendwie vertraut. Ich kenne es aus der rheinhessischen Gegend, dass man ehrliche Kommentare schätzt. Lieber mit einer leicht pieksig-frotzdelnden Spitze einen Freund testen, als schmierige Wohlfühllyrik anzuwenden. Man sagt hier einfache Dinge einfach. Nein, man nimmt das auch einander nicht übel, wenn man etwas zu direkt ist. Ein „Nein“ – also bessergesagt ein „Neee“ – darf mit Verve ausgesprochen an der Brust des Gesprächspartners aufklatschen. Es darf einfach sein, es tut nämlich gar nicht weh. Herrlich!

Ach ja, ich lerne übrigens Vokabeln. Lerne, dass es „komm ma‘ rum“ heißt, statt “komm ruhig vorbei“. Ich lernte, dass man hier „hömma, komma wacker da runta“ ungestraft zu Bauarbeitern sagen darf. Alles in allem ein guter Anfang… Dortmund ist eine Stadt, die mir in all seiner Heterogenität und Polarität vielleicht doch ans Herz wachsen könnte, – nicht ans „Heaz“!

Bleibt jetzt nur noch die Frage: ist der größte Weihnachtsbaum der Welt auf dem Hansaplatz eine architektonische Bereicherung oder nicht?

JMK